Der Begriff Telematikinfrastruktur (TI) ist momentan als Revolution des deutschen Gesundheitswesens in aller Munde. Insbesondere im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte (ePA) kommt er immer wieder auf. Aber was versteckt sich hinter dem Begriff? Und was wird benötigt, um TI zu nutzen? In unserer Serie „Telematikinfrastruktur – Was soll das?“ brechen wir das Thema auf das Wesentliche herunter. Im ersten Teil erfährst Du alles über den Nutzen der TI.
Telematikinfrastruktur – Das ist der Sinn dahinter
Durch den Aufbau der Telematikinfrastruktur soll das Gesundheitssystem verbessert und hürdenlos werden. Dazu wird an mehreren Stellen angesetzt.
Die Verbesserung der Zugänglichkeit und die Vernetzung des Gesundheitswesens stehen an erster Stelle. Daher werden zukünftig alle Daten mithilfe der TI zentral an einem Ort gesammelt, sodass behandelnde medizinische Fachkräfte (mit Einverständnis des Patienten) Zugriff darauf haben. Dadurch wissen alle behandelnden Ärzte zum Beispiel, welche Diagnosen ein Patient hat und mit welchem Medikament die Behandlung erfolgt. Vorliegende Allergien oder Unverträglichkeiten sind ebenfalls hinterlegt. Wenn also ein Kardiologe einem älteren Patienten, der auch wegen Diabetes Mellitus Typ 2 behandelt wird, ein blutdruckregulierendes Medikament verschreiben muss, kann er dabei die Diabetes-Therapie berücksichtigen und verhindert Medikamentenwechselwirkungen. Das steigert die Sicherheit des Patienten. Wird eine Patientin aufgrund eines Notfalls in eine Klinik eingeliefert, können die behandelnden Fachkräfte über das Notfalldatenmanagement abrufen, ob sie Allergien hat oder auf Medikamente angewiesen ist und wichtige Entscheidungen mit Rücksicht auf solche Faktoren treffen.
Durch Kommunikationsdienste werden Versorgungsprozesse und Austausch der Leistungserbringenden untereinander beschleunigt. Das bedeutet konkret, dass beispielsweise Rezepte bereits in die Wunschapotheke des Patienten versendet werden können, sobald dieser eine benannt hat. Erreicht der Patient die Apotheke, ist das benötigte Medikament abholbereit. Ebenso verhält es sich bei Hilfsmittel-Leistungserbringenden. Außerdem können so auch Ärzte und Ärztinnen untereinander kommunizieren und wichtige Informationen schnell und unkompliziert austauschen.
Die Telematikinfrastruktur bringt auch Patienten Vorteile. Sie können ihre Befunde und Diagnosen jederzeit selbst einsehen und haben sie vorliegen, ohne stets daran denken zu müssen, sich von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin Kopien der Befunde mitgeben zu lassen und diese geordnet aufzubewahren.
Nicht zuletzt kann auch die medizinische Forschung von der breiten Datenbasis in anonymisierter Form profitieren und so in der Folge zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen.
Digitale Gesundheitsversorgung: Deutschland im Europavergleich
Deutschland geht mit den Neuerungen einen wichtigen Schritt in die digitale Zukunft, der schon lange nötig ist. Im Vergleich mit Europa hinkt Deutschland hinterher. Das zeigte eine 2022 durchgeführte Studie des Fraunhofer Instituts.
Die Nase vorn im Bereich Digitalisierung des Gesundheitssystems hat Estland. Anwendungen wie das eRezept, Videosprechstunden sowie ein nationales Gesundheitsportal gibt es dort bereits seit den 2010er Jahren. Das estnische Gesundheitsinformationsaustauschnetzwerk (ENHIS) war bereits 2009 flächendenkend ausgebaut und in der Lage die Krankengeschichte eines Bürgers von Geburt bis zum Tod zu dokumentieren.
Auch Dänemark liegt in Sachen Digitalisierung des Gesundheitssystems weit vorn. Es werden hier vor allem drei Dienste genutzt: Eine krankenhausbasierte ePA, das eJournal und eine nationale Medikationsdatenbank. Diese Datenbanken können einfach über ein Gesundheitsinformationsportal (sundhed.dk) abgerufen werden.
In Spanien kann eine sehr stark regionale Organisation des digitalen Gesundheitssystem beobachtet werden, was auf die föderale Struktur Spaniens zurückzuführen ist. Dadurch ist die digitale Versorgung je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt. Trotzdem ist es so, dass 70 % der Spanier Zugriff auf die ePA haben. Seit 2009 wird daran gearbeitet, die Nutzbarkeit der ePA für alle Regionen zu optimieren. Derzeit sind insbesondere die Regionen Andalusien, Valencia und das Baskenland besonders gut digital versorgt.
Auch an Österreich kann Deutschland sich ein Beispiel nehmen. Hier ist bereits ab 2018 schrittweise die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) per Opt-Out Verfahren eingeführt worden. Bis 2020 waren 216 stationäre Gesundheitseinrichtungen, 93 % der Kassenordinatoren und 97 % der Apotheken angeschlossen.
Das Schlusslicht der digitalen Gesundheitsversorgung bildete laut Digital Health Index, Stand 2018, im Vergleich mit anderen Ländern Europas allerdings nicht Deutschland, sondern Polen. Deutschland belegt den zweitletzten Platz, was sich jedoch in naher Zukunft mit Etablierung der TI ändern könnte.
Referenzen:
Bratan T et al. E-Health in Deutschland – Entwicklungsperspektiven und internationaler Vergleich. Studien zum deutschen Innovationssystem. Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). Nr. 12-2022. ISSN 1613-4338
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1070546/umfrage/stand-der-digitalisierung-des-gesundheitssystems-nach-ausgewaehlten-laendern/ (Letzter Abruf: 20.03.2024)